Weibliche Vorbilder in der Chirurgie

Warum sollte ich in die Chirurgie gehen? Warum suche ich mir ein Fach aus von dem ich bereits vorher weiß, dass zwar im Vergleich mehr Frauen ein Medizinstudium als Männer beginnen, aber das viele Ärztinnen ihre Weiterbildung ohne das Resultat des Facharztes beenden?

Ich weiß es nicht bzw. doch – schon irgendwie. Die Faszination Chirurgie hat mich in Ihren Bann gezogen und prinzipiell auch die Tatsache Chirurgin zu werden ohne irgendwelche Stereotype oder Rollenzuschreibungen. In einem Buch habe ich einmal gelesen, dass Frauen für die Chirurgie aufgrund Ihres zugeschriebenen Mangels an Widerstandskraft sowie physischer Ausdauer, der frauenspezifischen emotionalen Natur und ihrer Wirkung auf ihre männlichen Kommilitonen sowie ihrer geringeren Hirnkapazität nicht geeignet für ein Studium der Medizin wären. Diese Aussagen fallen in die Zeit von 1870. Doch bereits im Altertum gab es ärztlich und chirurgisch tätige Frauen. Die Einführung als akademisches Fach in Europa im 12. und 13. Jahrhundert und die Nichtzulassung von Frauen zum Studium führte dazu, dass diese Entwicklung unergründlich unterbrochen wurde. Erst die Einführung der allgemeinen Zulassungsgenehmigung 1908 – veränderte diese Situation.

Doch wie sieht die Situation heute aus? Obwohl mittlerweile in Deutschland mehr Frauen als Männer ein Medizinstudium beginnen, beenden viele Ärztinnen ihre weitere Ausbildung ohne einen Facharztabschluss. Unter den Chefärzt/Innen und Oberärzt/Innen sind Frauen deutlich in der Minderheit. Besonders auffällig ist dies im Fachgebiet der Chirurgie. In der Allgemeinchirurgie betrug 1930 der Anteil der Chirurginnen zwei Prozent. Im Jahr 1956 lag der Anteil bei 3,1 Prozent. Im Jahr 1996 betrug der Anteil der Chirurginnen 11,8% und im Jahr 2000 lag der Anteil bei 14,1%. Die Tendenz ist steigend – aber, wenn ich das in absoluten Zahlen betrachte stehen 4128 Chirurginnen in etwa 16086 Chirurgen gegenüber - bezogen auf das Jahr 2013. (Statistik der BÄK 2013)

Während eines Vortrages zu dem Thema Nachwuchsmangel in der Chirurgie habe ich mich gefragt, was mich eigentlich mit dazu bewegt hat, neben der Faszination Chirurgie, den äußeren Umständen zu trotzen und meinen Wunsch Chirurgin zu werden weiter zu verfolgen. Die Geschichte der Medizin - im Besonderen die weiblichen Vorbilder, die wir in der Chirurgie durchaus haben prägten bzw. prägen mich. Die Geschichte der Medizin und der Chirurgie an sich ist vielfältig und beruht auf einer langsamen und stetigen Entwicklung, die bis zu dem heutigen Zeitpunkt ständig Veränderungsprozessen unterworfen ist. Wandel bedeutet in dieser Betrachtung eine stetige Weiterentwicklung des bislang bekannten Erkenntnisinteresses, das es in vielerlei Hinsicht zu untersuchen gilt.

Auf die Medizingeschichte im Ganzen werde ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Im Vordergrund steht für mich, die Erwähnung der Vorbilder, die mich begeistert haben. Die Tradition des Netzwerksgedankens unter den Medizinerinnen war von Beginn an nicht unwichtig. Ich habe meine Vorbilder – und durch sie meinen Weg gefunden.

 

Im Folgenden werden Ausschnitte aus den jeweiligen Lebensgeschichten präsentiert. Diese erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit sondern dienen als Impulse für eine eigene Recherche.

Dorothea Erxleben 1

  • geboren 13.11.1715 in Quedlinburg
  • Tochter des Arztes Christian Polykarp Leporin und Anna Sophia Leporin
  • Unterricht in theoretischer und praktischer Medizin bei ihrem Vater
  • trotz ihrer Vorbildung blieb ihr der Zugang zum Studium verwehrt
  • erfolgreiches Gesuch bei dem preußischen König mit der Bitte zur Zulassung zum Examen
  • 1754 absolviert sie als erste Frau, im Alter von 38 Jahren, in den deutschen Staaten das Promotionsexamen
  • Verheiratet mit Johann Christian Erxleben, 4 Kinder, Übernahme der väterlichen Praxis
  • Sie verstarb am 13. Juni 1762 im Alter von 46 Jahren in Quedlinburg

1 http://www.med-kolleg.de/dorothea-erxleben.html

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Dr. James Barry2

  • geboren am 09. November 1795 in Belfast
  • Dr. Barry gab sich über 50 Jahre als Mann aus, um so Ihren Wunschberuf ausüben zu können. Erst bei der Waschung für die Beerdigung wurde festgestellt, das es sich bei James Barry um eine Frau handelte.
  • 1809-1812 Medizinstudium an der Universität Edingburgh
  • ab 1813 „Assistenzarzt“ in der britischen Armee, später Inspector General, Principal Medical Officer und schließlich Inspector General
  • sie diente über 40 Jahre als Chirurgin in der britischen Armee
  • sie verstarb 1865 in London

http://www.sciencemuseum.org.uk/broughttolife/people/jamesbarry.asp

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Elizabeth Blackwell3

  • geboren am 03. Februar 1821 in Countership bei Bristol
  • 1849 absolvierte sie als erste Frau das Medizinstudium an dem Geneva College in New York
  • 1857 war Elizabeth Blackwall am Aufbau des Womens´s Medical College of the New York Infirmary beteiligt.
  • 1871 gründet Sie in Großbritannien, die National Health Society, als Vorläufer des heutigen National Health Service (NHS)
  • sie verstarb am 31. Mai 1910 in Kilmun, Schottland

3http://www.notablebiographies.com/Be-Br/Blackwell-Elizabeth.html

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Dr. Marie Zakrzewska4

  • geboren am 6. September 1829 in Berlin
  • 1851 Direktorin an der Charite´-Klinik für Hebammen im Alter von 22 Jahren
  • emigrierte in die USA um Medizin am Hobart and William Smith Colleges in Geneva zu studieren
  • 1856 absolvierte sie als Jahrgangsbeste das Examen
  • Gründete sie das Schul-Krankenhaus New England Hospital for Women and Children in Boston
  • sie verstarb am 12. Mai 1902 in Jamaica Plain, Massachusetts

4 http://www.nlm.nih.gov/changingthefaceofmedicine/physicians/biography_338.html

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Franziska Tiburtius5

  • geboren am 24. Januar 1843 auf Gut Bisdamitz auf Rügen
  • 1871-1876 Medizinstudium in Zürich
  • 1876 promovierte sie zum Doktor der Medizin
  • Gründete in Berlin mit Dr. Emilie Lehmus eine Privatpraxis. Damit waren die Ärztinnen deutschlandweit die ersten Ärztinnen mit einer eigenen Praxis.
  • 1908 eröffnete sie mit Agnes Hacker, einer weiteren Studienkollegin, die „Chirurgische Klinik weiblicher Ärzte“
  • Sie verstarb am 05.Mai 1927

5https://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/fileadmin/Redaktion/Institute/Germanistik/AbteilungII/frauenkulturarchiv/ plakat_tiburtius_franziska.pdf

 

 

 

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